LLUVIA

Schon der Anfang verheißt nichts Gutes: Nasse Fliesen machen den Gang zu den Sitzplätzen zur gefährlichen Rutschpartie. Dauerregen hat nämlich die Stadt Lluvia unter Wasser gesetzt, was den gnadenlos plaudernden Radio-Wetterfrosch Daniel Wettermann zunächst nicht im Mindesten aus seiner Hochstimmung bringen kann. Weniger gut geht es hingegen einem Obdachlosen, der sich vor der Feuchtigkeit nicht schützen kann. Eine abgefeimte Regenschirmverkäuferin dagegen profitiert nicht schlecht von der Wetterlage, indem es ihr sogar gelingt, einen überteuerten Schirm an eine alte Frau zu verkaufen, die ihn eigentlich gar nicht gebrauchen kann, da sie genug damit zu tun hat, sich mit ihrem Rollator fortzubewegen. Sie wird von einem Banker, der sich auf der Jagd zum nächsten Geschäftsabschluss befindet, zum Stürzen gebracht und erbarmungslos liegengelassen. So sind alle mit sich und ihren persönlichen Anliegen beschäftigt: eine junge Frau interessiert sich nur für ihr Date, Chanty50 für ihren Internet-Auftritt und die Zahl ihrer Follower (ihre größte Katastrophe: „Ich hab‘ nur 3 Prozent Akku!“). Der Regen hört unterdessen – trotz der unerschütterlichen Zuversicht von Daniel Wassermann – nicht auf und so flüchten sich die unterschiedlichsten Personen auf den Dachboden einer jungen Frau namens Rieke, die in Erwartung der Sintflut allerlei Iso-Matten, Decken, Kissen bereithält und jede*n zu sich einlädt und unerbittlich ihren beruhigenden Kräutertee anpreist.

Bei Rieke wartet man auf das vermeintliche Ende des Regens und tauscht allerlei Lebensweisheiten aus: dass der Dax nicht sinkt, sondern schwimmt; dass man mit fettigen Haaren nicht meditieren kann; dass man, wenn man schon Suizid begeht, tunlichst darauf achten sollte, jemanden zu benachrichtigen, der diesen im Internet zu Geld machen kann…

Derweil ist die „herzensgute“ Rieke mehr und mehr euphorisiert, weil sich ihre akribischen Überlegungen als richtig erweisen und die Apokalypse am errechneten Termin stattfinden wird. Nicht das Umdenken, das Abwenden der Katastrophe ist wichtig, sondern das Rechthaben, auch im Grauen.

Schließlich wird allen, sogar Daniel Wettermann, klar, dass sich das Wetter nicht ändern, sondern das Wasser steigen wird, dass es zu spät ist, dass niemand lebend diesen Dachboden wieder verlassen wird und dass im Tod letztlich jeder allein ist.

Während ein Video zum Abschluss Bilder von realen Überflutungen zeigt, fängt es im Forum tatsächlich an zu regnen und verbindet auf verstörende Weise Fiktion und „Realität“.

Übrigens: Das Stück, das von der Gruppe Darstellendes Spiel der Q2 unter der Leitung von Gerda-Karin Oostinga selbst geschrieben wurde, ist in Anlehnung an die Erzählung „Sintflut“ von Günter Kunert aus dem Jahr 1975 entstanden, der in diesem Text hellsichtig die Klimakatastrophe thematisiert hat.

Großer Applaus für eine Aufführung, in der Licht, Ton und „special effects“ eine besondere Rolle spielen!

Aber Frau Oostinga, wo bleibt das Positive? Schließlich beginnen bald die Sommerferien und da möchte man doch unbesorgt mit einem Billigflieger verreisen!

Hm