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„Pelargonien” – ‚Etwas fehlt immer‘

Der Kurs Darstellendes Spiel der Q3 unter der Leitung von Frau Oostinga hatte zu seiner Abschlussvorstellung ins Forum des Kollegs eingeladen – allerdings nicht zu einem Weihnachtsmärchen!

Eine Radfahrerin liegt schwer verletzt, sich vor Schmerzen krümmend, auf der Straße, ein Radfahrer, eilt hinzu, verkündet beruhigend: „Ich bin jetzt da“, beobachtet die Maßnahmen einer Ersthelferin und versäumt dann nicht, dem Unfallopfer zu versichern, dass er es gewesen sei, der den Rettungswagen verständigt habe. Der Beginn einer wundervollen Freundschaft?

Der Mann, ein wahrlich passionierter Radfahrer namens Frank Perl, besucht das Unfallopfer Petra Bischoffsky sogleich im Krankenhaus, wo er einer eigentlich sehr resoluten Krankenpflegerin begegnet, die angesichts der vermeintlich jungen Liebe aber zu Zugeständnissen an den Besucher und seine Aufenthalte im Krankenzimmer bereit ist. Im wahrsten Sinne des Wortes nimmt Frank Perl mehr und mehr Raum im Leben der Verletzten ein: Er versucht, sich ihr immer weiter anzunähern, und zwar nicht nur durch Geschenke (er schleppt sogar eine riesige Orchidee an), sondern auch räumlich nimmt er mehr und mehr Platz auf dem Krankenbett ein – sie versucht, ihm mehr und mehr auszuweichen, so weit, dass er sie beinahe fast aus dem Bett drängt. Und seine Versicherung, dass er von nun an nicht mehr von ihrer Seite weichen werde, klingt inzwischen mehr nach einer unheilvollen Ankündigung als nach einem Trost oder gar nach einer Beruhigung. Ihre immer deutlicher werdenden Versuche, ihn zurückzuweisen, z. B. die ‚Drohung‘, ihren Freund anzurufen, verfangen nicht.

Frank Perl taucht derweil in der Bar seiner Freundin aus Kindertagen, Chloé Wonder, auf und berichtet von den letzten Ereignissen, sie gibt ihm den ultimativen Rat, seine Freundin mit Selbstgebasteltem zu beglücken, was aber an seinem Unvermögen (oder Unwillen?) scheitert: Letztendlich muss Chloé den Schwan für Petra falten.

Inzwischen kümmert sich Frank Perl inzwischen um die Pelargonien auf Petra Bischoffskys Balkon, kommuniziert mit deren Arbeitgeber und schreckt auch nicht davor zurück, mit gezückter Schere in der Hand anzukündigen, ihre Haare zu schneiden (schlimm genug); man hofft inzwischen, dass es dabei bleiben möge…

Der zweite Teil der Aufführung gilt der Selbstreflexion der drei Figuren: In Form von Videoaufnahmen wird die Selbstkonfrontation der drei gezeigt, die letztlich alle auf der Suche sind: nach Selbstvergewisserung, nach dem Wahrgenommenwerden, vielleicht sogar nach Liebe. Sei es Petra Bischoffsky, die in einem Sabbatjahr in einer Künstlerkolonie nach sich selbst sucht; sei es Chloé Wonder, die in einem sechswöchigen Aufenthalt in einem Kloster keine Ruhe findet; sei es der besitzergreifende Frank Perl, der sich in der Analyse seines Therapeuten nicht wiedererkennt. Alle Bemühungen laufen letztlich ins Leere und es bleibt die bittere Erkenntnis: ‚Etwas fehlt immer.‘

Vielen Dank an Leon Ellinghaus (Frank Perl), Carmen Jacobs (Petra Bischoffsky), Jacqueline Bendig (gleich in fünf Rollen: Ersthelferin, Krankenpflegerin, Patientin, Barfrau und Nachbarin) und Lenard Burmeister (Technik) und natürlich an Frau Oostinga!

Beitrag: Heinemeyer; Beitragsbild: www.pixabay.com; weitere Bilder: Oldenburg-Kolleg